Maria sieht Lisa, wie sie zur Tür hereinkommt. Sie hat sie nicht vergessen.
„Lisa de Vries“, sagt sie knapp, „bitte melden Sie mich beim Chef.“
„Einen Augenblick.“ Maria verschwindet in Fredys Büro.
„Lisa de Vries ist da.“
„Soll reinkommen.“
Er steht auf, um ihr die Tür zu öffnen.

„Hallo Lisa, ich freue mich, dass du da bist. Komm, und setz dich bitte.“ Zu Maria sagt er: „Bring uns zwei Kaffee.“
Er dreht sich um, nachdem er der Tür mit dem Fuß einen Stoß gab, wendet sich zu Lisa und küsst sie auf beide Wangen.
„Bitte nimm Platz.“ Er setzt sich ihr gegenüber an den Tisch und kommt direkt zum Thema.
„Zuerst, entschuldige wegen gestern Abend.“
Sie erwidert nichts.
„Wie ich bereits erwähnte, ich bin mir sicher, du bist eine exzellente Werbefachfrau. Darum bist du hier, Lisa.“
Sie hört ihm weiterhin zu.
„Ich möchte dir den Job meiner persönlichen Assistentin anbieten.“
Maria klopft, bringt zwei Kaffees und dreht sich weg.
„Maria, darf ich dir Lisa de Vries vorstellen“, sagt er schnippisch. „Sie wird unser Team ergänzen und ist meine persönliche Asistentin. Sie ist eine hervorragende Werbefachfrau und wird somit auch das Projekt Wissmann leiten.“
Beide sind perplex. Maria schluckt zweimal leer. Lisa lässt es über sich ergehen. Ihr Ziel ist nicht nur der Job. Noch immer ist sie angetan von diesem attraktiven Mann.
„Danke Maria“, sagt Fredy.
Diese muss sich erst für Bruchteile von Sekunden fangen, ehe sie kehrtmacht.
„Den Vertrag“, beginnt Fredy, „besprechen wir morgen. Du könntest ihn dann auch gleich unterschreiben. Wann möchtest du mit der Arbeit bei uns beginnen? Ich will das schnell regeln.“ Diese Ansage saß.
„Gerne würde ich diese Woche ein paar Sachen erledigen. Gibt es denn dringende Arbeiten, dass du ein solches Tempo draufhast?“, fragt sie.
Ich habe es gewusst. Das Projekt ist für die Firma äußerst wichtig, doch die Frau, sie gehört mir. Sie werde ich nie mehr loslassen. Fredy jubelt innerlich.
Lisa bemerkt das zweideutige feine Lächeln Fredys nicht.
„Ja, die gibt es. Das besprechen wir morgen auch gleich. Ist das für dich in Ordnung?“
„Ok, gerne“
„Ich gebe heute eine Party in meinem Haus am Zürichsee. Ich lade dich ein.“
„Was ist das für eine Party?“
Lisa ist verwundert. Alles verläuft in einem Tempo, das ihr Angst macht. Zuerst der Job, dann der übereilige Vertrag, heute die Party am Abend. Ihr ist nicht klar, wie sie sich zu verhalten hat. Sie möchte ihren, hoffentlich neuen Chef , nicht enttäuschen. Ihr bleibt nichts anderes übrig, als allem zuzustimmen.
„Ok, wann holst du mich ab?“
Seine Stirnfalten kräuseln sich.
„Um 18:30h steht ein Taxi vor deiner Haustür. Ich werde früher vor Ort sein. Keine Angst, du bist dann nicht allein.“
„Ok, ich werde pünktlich sein.“ Sie steht auf, um sich zu verabschieden.
Fredy springt auf, kommt um den Tisch herum,
nimmt ihre beide Händen und drückt sie an seine Brust. Dann sagt er, ihr in die Augen schauend: „Es wird ein wunderbarer Abend werden.“
Sie errötet, nickt, und entzieht sich seinen Händen.
„Bis später“, sagt sie, noch irritiert.
Maria eilt aufgebracht zum Chef.
„Verdammt, Fredy was sollte das eben?“
„Hast du ein Problem damit? Oder bist du eifersüchtig?“
„Wie gut kennst du Sie? Hat sie deine Geilheit geweckt?“
„Geht dich nichts an, mach deine Arbeit.“
Die Tür knallt. Sie verlässt Fredys Büro.
Nein Maria, es geht dich nichts an. Doch, ich kann nicht anders. Es ist immer das Gleiche. Ja, er ist dein Chef, und du arbeitest bei ihm. Eigentlich hast du bei einem solchen Macho nichts verloren. Er ist eine attraktive Erscheinung. Aber sonst? Zudem habe ich Familie. Die steht an erster Stelle, auch wenn es nicht immer leicht ist. Fredy ist ohne Charakter, zumindest ohne den, den ich mir vorstelle. Aber ich verstehe sie, diese Girls. Doch Lisa ist anders. Ich habe es in ihrem Gesicht gelesen. Sie ist kein Flittchen, und bestimmt keine Gespielin.
Maria fängt innerlich an sich zu freuen. Ich habe es genau gesehen. Sie ist eine Frau mit tiefem Bewusstsein. Er wird sich die Zähne ausbeißen, sobald sie realisiert, was für ein Typ er ist. Auch habe ich in Ihrem Gesicht Sympathie gesehen. Sie war an mich gerichtet.

Pünktlich steht das Taxi vor dem Haus.
Sie greift ihren Mantel, schritt nach draußen und schließt die Haustür. Der Taxifahrer fährt sie durch Stadtgebiete, die ihr fremd sind. Dann dem See entlang bis weit außerhalb der Stadt, zu einem modernen Haus, auf einer Anhöhe gelegen.
Erstaunt in die Weite blickend verlässt Lisa das Taxi. Wartend sieht sie Fredy auf der Terrasse. Die Begrüßung ist herzlich, eine kurze Umarmung.
Dabei flüstert er ihr ins Ohr „Du siehst umwerfend aus. Du wirst heute viele Freunde kennenlernen. Es wird eine wunderbare Party.“
„Ja, danke.“
Lisas Euphorie hält sich in Grenzen. Ihm bleiben ihre Zweifel verborgen. Ihr ist nicht klar, wie sie die Geschwindigkeit der Anmache deuten soll.
Die Traumvilla liegt auf einer Anhöhe, abseits mit Blick auf einen Teil des Zürichsees. Lisa genießt den Fernblick auf den See und die Berge.
„Komm, ich stell dir ein paar Freunde vor.“
Die bewundernden, und gleichzeitig herausfor-dernden Blicke der männlichen Gäste bleiben an ihr kleben. Sie sieht überwiegend junge, sexy Frauen. Jede puppenhafter als die andere. Sie bemüht sich, alles gleichgültig auf sich einwirken zu lassen. Bin ich nun Fredys Freundin, oder auch eine von denen? Er stellte sie als Frau an seiner Seite vor, was viele mit Bewunderung zur Kenntnis nahmen.
Fredy reicht ihr ein Glas Champagner. „Schau dich ein wenig um, ich bin gleich wieder da.“
Mit dem Drink in der Hand erkundet sie langsam das Haus. Es ist groß mit vielen Zimmern. Auf der Terrasse bemerkt sie den großen Pool. Die Gäste stehen drum herum, diskutieren stehend oder sitzend, meist mit einem Glas Champagner in der Hand. Sie entdeckt einzelne Paare, die abseits Zärtlichkeiten austauschen. Teilweise hemmungslos. Zurück im Haus zählt sie bestimmt dreißig Personen. Sie hält Ausschau nach Fredy, doch sie findet ihn nicht. Unsicherheit ersetzt ihre noch erwartungsvolle, freudige Laune, bis ein Gast sie von der Seite anspricht.
„Gefällt es Ihnen hier, sind sie zum ersten Mal dabei?“
Dabei? sinniert Lisa kurz, dreht sich verwundert um und sieht einem 30-jährigen Schönling direkt in seine grünen Augen.
„Ja, ich bin mit Fredy das erste Mal auf einer Party.“
Der Blick des erregt wirkenden Gastes trifft sie tief. Ihr Herz fängt an zu pochen. Sie fühlt sich unbehaglich und will der Lage entgehen. Er fasst sie aus dem Nichts sanft am Arm, um ihr zu deuten, stehen zu bleiben. Seine Erregung ist nicht zu übersehen. Es passiert so unvermittelt, dass sie sich von ihm wegdreht. Sie schlendert legere an teils offenen oder verschlossenen Türen vorbei. Fredy war nirgends zu sehen. Einen älteren Herrn fragt sie, ob er ihn gesehen habe.
„Ich glaube, er ist in diesem Zimmer“, erwidert er und deutet auf eine geschlossene Tür.
„Danke.“
Sie klopft kurz, bevor sie eintritt. Die Frau ist um 35, und äußerst attraktiv. Sie sitzt auf Fredys Schoß. Seine rechte Hand gleitet langsam zwischen den Oberschenkel unter ihren ultrakurzen Mini. Lisa erschrickt und erblasst. Sie dreht sich, knallt die Tür hinter sich mit Wut und Entsetzen zu. Verstohlene Blicke, und das Getuschel, das sie begleitet, sind ihr in diesem Moment egal. Nur wegrennen von allem, was sie gesehen hat. Das sind ihre einzigen Gedanken. Sie schnappt sich ein Taxi. Ihre Enttäuschung ist elend. Sie schämt sich dafür, sich mit Fredy eingelassen zu haben. Ja, sie würde die geplante Vertragsbesprechung platzen.
Die Suche nach dem Schlüssel ist erfolglos. Sie greift kurzentschlossen zum Handy. Die halbverschlafene Stimme am anderen Ende strahlt durchs Telefon Wärme.
Bin ich verrückt. Lisa ist verunsichert. Zu spät.
„Rosetti?“
„Hier spricht Lisa de Vries.“
„Woher haben Sie meine Nummer?“
Stotternd entschuldigt sich Lisa für den späten Anruf.
„Es ist elf Uhr nachts. Ist was passiert?“
„Darf ich vorbeikommen?“
„Ich weiß nicht, wir kennen uns kaum.“
„Ja, aber sie kennen Fredy. Ich bin da in was hineingerutscht, womit ich nicht umgehen kann. Es tut mir sehr leid für diese späte Störung.“
Maria erinnert sich an ihr Gefühl für Lisa, welches sie beim ersten Treffen erfasste. Dieses gibt ihr das unbestimmte Vertrauen, zuzustimmen.
Das Taxi steht noch vor dem Haus. Schon ist Lisa wieder auf dem Weg, zu Maria. Ob das wohl gut geht? Sie macht sich Vorwürfe. Wie konnte ich eine bisher mir kaum bekannte Frau mitten in der Nacht anrufen.
„Komm rein, mit dir habe ich nicht gerechnet.“
„Entschuldige bitte. Weißt du, ich habe in Zürich niemanden, dem ich mich anvertrauen kann. Da bist du mir eingefallen. Ich hatte in den letzten Jahren nicht immer eine gute Hand was Vertrauen betrifft. Doch bin ich mir sicher, ja ich habe dich in der sehr kurzen Zeit auch beobachtet, dass ich dir vertrauen kann. Jetzt bin in Panik geraten. Darum dieser Überfall, spät nachts.“
„Fredy?“
„Ja“, sagt Lisa nach kurzem Zögern.
„Und wie soll ich dir da helfen? Er ist mein Chef.“
„Bitte sei ehrlich zu mir“, sagt Lisa. „Wenn ich dich damit in Schwierigkeiten bringe, gehe ich sofort.“
In diesem Augenblick schauen sich beide in die Augen. Es war wie eine gegenseitige Analyse bis tief ins Herz.
„Weißt du Lisa, ich habe nur zugestimmt, weil ich in deinem Blick Ehrlichkeit und Reife gesehen habe. Du unterscheidest dich von den jungen Girls, die Fredy sich angelacht hat.“
Lisa schluckt zweimal, bevor sie in der Lage ist, zu antworten.
„Ich hole uns was zu trinken. Ein Glas Rotwein, oder lieber was Härteres?“
Lisa nickt nur. Sie überlegt, die Wohnung gleich wieder zu verlassen. Doch das Bauchgefühl sagt, nein. Die Konfrontation mit Marias Urteil gibt ihr Hoffnung. Sie fühlt, es ist ehrlich. Ich bin nicht einfach eine weinende Tussi. Der Schmerz war zu groß.
Lisa trinkt das erste Glas mit einem Zug leer und stellt es mit einem tiefen Seufzer zurück auf den Tisch.
„Erzähl mal“, sagt Maria und sieht sie fordernd an. „Was ist denn passiert?“
Es sprudelt wie ein Schwall aus Lisa heraus. Sie erzählt den Verlauf des Abends in jedem Detail. Die Tränen stehen ihr zuvorderst.
„Was soll ich dir sagen? Ja, Fredy ist kein Mann für feste Beziehungen. Er liebt das Leben und, Frauen. Was ich dir sagen kann ist, dass ich mit Fredy noch keine Frau gesehen habe, wie du eine bist. Ich erlaube mir dieses Urteil, denn bisher waren seine, entschuldige bitte, Gespielinnen sehr Jung, das bist du auch, ich meine eher, unreif. Aber ich denke nicht, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, darüber eine vertiefte Unterhaltung zu führen. Ich verstehe dich. Lass denn Abend einfach mal sacken. Gerne können wir uns darüber unterhalten wenn deine Emotionen sich gelegt haben.“
Lisas Augen werden dabei nass. Sie ringt nach Worten. Maria kann bei Lisas Gequassel nicht verstehen, was sie sagt. Sie legt behutsam den Arm um ihre Schultern und ist einen Moment einfach für sie da. Dann erfasst sie eine eigenartige Energie.
Ist das der Start in eine spezielle Beziehung von Frau zu Frau? Seltsame Gedanken durchströmen Marias Hirn. Ich kenne Lisa erst seit einem Tag. Nun liegt sie hier weinend in meinen Armen. Maria überkommt ein Glücksgefühl. Sie wird gebraucht. Das muss echt sein. Ihr Herz pocht, die Kehle schnürt. Eine nie dagewesene Sehnsucht sticht in ihren Magen. Die Familienmutter hat keine richtigen Freunde. Seit langer Zeit wartet sie darauf, die vielfältigen Sorgen und Probleme einer Familienfrau, mit jemand zu teilen. Oder mit Freundinnen einen Kaffee zu trinken. Das ist ihr Wunsch, seit sie eine Familie hat. Ob diese Zeit heute gekommen ist?
„Wie spät ist es denn?“, fragt Lisa. Sie war in Marias Armen kurz eingenickt.
„Ein Uhr morgens.“
„So spät? Entschuldige bitte“, steht auf und geht zur Tür.
„Bis morgen“, sagt Maria. „Es hat nicht nur dir gut getan“, flüstert sie zum Abschied, schließt die Tür, legt sich zufrieden ins Bett und schläft ein. Die eingehende SMS hört sie nicht mehr.
Am nächsten Morgen ist Maria früh im Büro. Sie hat Lisas Vertrag fertigzustellen. Beinah unbemerkt tritt diese an ihr Pult, und sagt mit sanfter Stimme.
„Hallo und einen schönen Tag, danke für gestern.“
„Gerne.“
„Meldest du mich bitte beim Chef?“
Maria bemerkt den klaren, forschen Blick. Den hatte sie bei allen Schönheiten, die sich Fredy zu eigen machen wollte, vermisst. Sie ist sich sicher, dass diese Frau anders sein würde.
„Klar, er erwartet dich. Bleib standhaft.“
Lisa schließt hinter sich die Tür in Fredys Büro.
„Hallo Lisa. Wie kann ich dir helfen? Haben wir einen Termin?“, begrüßt Fredy sie.
„Ja, du mit mir“, antwortet sie knapp.
„Gibt es ein Problem?“
„Ich bin sicher, du hast keine Ahnung, was du mir gestern angetan hast.“
„Meinst du das mit der anderen Frau? Wo liegt das Problem? Ich bin dir nichts schuldig.“
„Genau das habe ich mir gedacht“, entgegnet Lisa. „Du hast mich gedemütigt und unter den vielen fremden Menschen allein gelassen. So geht das nicht, nicht mit mir. Erst stellst du mich vor, als neue Frau an deiner Seite. Dann hast du mich diesem, vor Erregung geifernden männlichen Haufen zum Fraß vorgeworfen. Das machen Zuhälter mit Nutten. Währenddessen vergnügst du dich mit irgendeiner Gespielin. Ist das deine Art, mit Frauen umzugehen? Du bist ein echter Macho, der die Frauen besitzen und ihnen jede Würde abspricht. Nein Fredy, das ist nicht meine Art. Hiermit verzichte ich auf den angebotenen Job.“
Lisa verlässt das Büro und eilt aus dem Haus. Sie nickt Maria mit tränenden Augen zu. Fredy sitzt wie ein geschlagener Hund auf seinem Stuhl. Er ist sich nicht bewusst, was soeben geschehen ist.
Noch immer mit den Tränen kämpfend legt sich Lisa zuhause, an die Decke starrend ins Bett. Sie ist nicht in der Lage, klare Gedanken zu finden. Wie öfters in solchen Momenten flüchtet sie in ihr Mitleid und tröstet sich mit ihrem eigenen Körper. Die Entspannung lässt nicht lange auf sich warten, da klingelt die Haustürglocke. Sie braucht einen Moment, um sich zu fangen. Durch den Türgucker sieht sie Fredy.
Er hat es bemerkt, klopft an die Tür.
„Lisa bitte mach auf, ich will mit dir reden.“
Nach kurzem Zögern öffnet Sie die Tür. Fredy sieht sie von unten bis oben an und entschuldigt sich.
„Was willst du hier, habe ich dir nicht deutlich zu verstehen gegeben, dass ich nicht deine Gespielin bin?“ Mit einem Trommelfell strapazierenden Knall fällt die Tür ins Schloss. Er gibt nicht auf.
„Lisa, mach bitte auf.“
„Lass mich.“

"Ich bleib hier stehen, bis morgen früh.“
Sie zögert einen Augenblick und öffnet die Tür. „Meine Zeit ist knapp. Was willst du?“
„Na, mit dir reden.“
„So leg los“, schnippt sie.
„Lisa, ich möchte dich nicht verlieren, weder als Freundin noch als Mitarbeiterin. Du bedeutest mir mehr als alles andere.“
„Wie kannst du nach so kurzer Zeit so was sagen. Du kennst mich nicht als Frau. Du kennst mich nicht als Mitarbeiterin. Das ist eine typische Macho-Floskel, die jede Frau von dir zu hören bekommt.“
„Auf der Party, das war nicht korrekt. Aber weißt du, auf solchen Partys ist man meist großzügiger.“
„Wenn das die Normalität ist, gehöre ich nicht dazu. Für mich zählen andere Werte. Entweder du akzeptierst meine Einstellung, oder wir gehen definitiv getrennte Wege. Verlass bitte die Wohnung.“ Wieder knallt die Tür.
Das Telefon klingelt. Am anderen Ende ist Maria.
„Hallo Lisa, wie fühlst du dich?“
„Maria ... Danke, dass du anrufst. Wie ich mich fühle? Beschissen.“
„Hast du Lust, darüber zu reden? Komm heute Abend zu mir. Ich bin solo.“
„Lisa zögert kurz, reden gerne. Würde es dir was ausmachen, zu mir zu kommen?“ Sie gibt Maria die Adresse.
Lisa begutachtet zufrieden ihre Apéro-Häppchen, da summt die Hausglocke.
„Die Tür ist offen“, ruft sie aus der Küche. Die Begrüßung ist herzlich. „Weißwein?“
„Liebend gerne.“ Mit zwei gefüllten Gläser setzt sie sich zu Maria aufs Sofa.
„Erzähl von heute Morgen.“
„Er hat bepisst dreingeschaut. Dass der Abend mich frustriert, und gedemütigt hat, kapiert er nicht. Dann habe ich sein Angebot abgelehnt, und das Büro verlassen.“
„Unbemerkt ist er mir nach Hause gefolgt. Jetzt besteht er darauf, mit mir zu reden, alles wieder gutzumachen. Weißt du, was das Größte ist? Er sagte mit gespielt betretener Mine, ich möchte dich nicht verlieren. Du bedeutest mir alles, als Freundin und als Mitarbeiterin. Dabei kennt er mich kaum.“
Maria hört zu, ohne ein Wort dazwischen zu reden. Unvermittelt sagt sie: „Was bedeutet er dir?“ Lisa ist betrübt, den Tränen nahe.
„Verdammt, ich habe mich in diesen Macho verliebt. Vom ersten Moment, als er vor mir stand, war ich hin und weg. Verstehst du das?“
„Sag Lisa, wann warst du das letzte Mal so richtig verliebt? Wie ist es mit Sex?“
„Richtig verliebt? Keine Ahnung, was das ist. Sex, dafür habe ich meinen Körper. Der betrügt mich nie.“
Sie fängt bitter an zu heulen. Maria streicht ihr über das samtene, rote Haar. Sie sitzen eine Zeit lang schweigend da, bis sich Lisa wieder erholt hat. Sie schmiegt sich an Maria. Sie tauschen ihre Körperwärme. Beide empfinden das, was eine tiefe Freundschaft ausmacht. Eine engelsfeine Harmonie legt sich über sie.
Maria löst sich aus dieser Zweisamkeit.
„Wie ist das möglich, wie kommt eine bildhübsche Frau mit dieser Energie in eine solch unwürdige Lage? Da muss in jungen Jahren was passiert sein, das dich total aus dem Tritt geworfen hat. Sag, wie sieht dein Plan mit Fredy jetzt aus?“
„Scheiße noch mal, ich habe mich verliebt. Der Job reizt mich. Zudem bin ich Holländerin. Wenn ich den Job verliere, ist meine Aufenthaltsbewilligung weg. Ja ich werde mit ihm reden. Eines musst du wissen. Ich lass mich nicht von ihm steuern. Ich bin schon in tiefste Abgründe gefallen. Jetzt, da es mir gelingt, Fuß zu fassen, ziehe ich das durch, Fredy hin oder her.“
„Noch ein Glas Wein?“, fragte sie, öffnet die Flasche und schenkt ein, bevor Maria ja sagt.
Es ist bereits zehn Uhr. Maria erwacht benommen aus ihrem kurzen Power Nap und ist auf einen Schlag wach. Lächelnd schaut sie Lisa an. Was ist mit dir passiert. Erzähl mal.
Die Geschichte, die Maria zu hören bekommt, macht sie tief betroffen.