„Wo warst du gestern?“, fragt Maria Inigo beim Frühstück. „Es war abgemacht, dass du bei unserem Sohn bleibst. Kann ich mich überhaupt noch auf dich verlassen, und was liegt dir an unserer Beziehung?“

„Amore, wir lieben uns. Das ist die Hauptsache.“

„Und was ist denn die Nebensache? Deine Affären? Du warst gestern bei ihr, als Adriano im Bett war, stimmts?“

„Woher willst du wissen, ob ich eine Affäre habe? Ich opfere mich für die Familie auf. Was willst du mehr?“

„Einen Mann, der zu mir steht. Der die ganze Familie ernst nimmt, nicht nur die Kinder. Und, wann hatten wir das letzte mal Sex?“

„Amore, ich liebe dich.“

„Sag das Wort Amore nur, wenn du es auch so meinst. Du demütigst mich.“

„Wo warst du gestern Abend?“, entgegnet Inigo. „Bei einem Liebhaber, oder bei deinem Chef, dem Sunny-Boy?“

„Den Gefallen tu ich dir nicht. Ich verbrachte einen harmonischen Abend mit meiner Chefin. Sie möchte dich kennenzulernen. Ich werde sie zu einem Dinner einladen. Blamiere uns nicht.“

„Ok, ok, mach das“, sagt Inigo und verlässt das Haus.

Maria schaut in den Spiegel und schwört Härte, sich und ihrem Mann gegenüber. Ab sofort zeige ich meine Südländerkrallen. Er wird mich kennenlernen, und leiden. Du bist eine begehrenswerte Frau, du bist einmalig, schlau und wenn es sein muss, selbstständig. Ich brauche keinen Macho. Sie lächelt ihr Spiegelbild an, und sagt hörbar, „bist du gleicher Meinung?“ Es erwidert ihr Lächeln.

 „Hallo Maria, du bist schon auf der Arbeit?“

„Ja, ich bin voller Tatendrang. Ich habe mich heute Morgen vor dem Spiegel selbst motiviert und Inigo den Marsch geblasen.“

„Was hast du?“

„Ich habe ihm gehörig die Meinung gesagt. Er war gestern noch nicht zuhause. Ich habe ihn nicht gehört, wie er ins Bett gekommen ist.“

„Und, was hat er gesagt?“

„Nichts, außer dass er mich gefragt hat, ob ich bei meinem Liebhaber gewesen sei, oder bei Fredy, diesem Sunny-Boy.“

„Das ist ja die Höhe. Und wie fühlst du dich?“

„Na ja, so lala, aber ich bin in Kampfeslaune. Das habe ich dir zu verdanken. Ich habe ihm gesagt, dass du ihn gerne kennenlernen möchtest.“

„Und?“

„Keine große Reaktion, doch bin ich mir sicher, dass er es kaum erwarten kann.“

„Lisa, kommst du bitte?“, tönt es aus Fredys Büro.

„Sofort.“

„Wie kommt ihr voran?“

„Maria und ich sind ein harmonisches Team. Sie steht zu 100% hinter mir. Das heißt, wir sind äußerst effizient.“

„Ok, dann bist du zuversichtlich, was den Auftrag von Wissmann betrifft? Wir brauchen ihn dringend, sonst schmilzt unser Konto in Windeseile. Ich bin froh, dich bei uns zu haben.“

„Bestimmt, wir geben uns jede Mühe.“

„Lisa, ich möchte dich gerne heute Abend in mein Haus am See einladen. Was denkst du darüber?“

„Ich überlege es mir.“

„Ok, ich würde mich freuen.“

Was sage ich ihm, absagen? Nein. Lisas Gedanken kreisen. Sie ist sich unschlüssig. Ihr ist genau bewusst, was Fredy von ihr verlangen wird. Was wünsche ich mir? Die ganzen Jahre habe ich auf Sex verzichtet, doch genau das erwartet er von mir. Will ich das auch? Bin ich überhaupt fähig, nach dieser abstinenten Zeit? Je länger ihre Gedanken kreisen wird sich Lisa bewusst, dass das echte Leben bei ihr Einzug hält. Dass sie den Menschen, auch Männern wird lernen müssen, Vertrauen zu schenken. Der Anfang ist ihr mit Maria gelungen. Das war Zufall, denn eine wie sie, steht nicht an jeder Straßenecke. Fredy hat bisher bewiesen, dass er es nicht verdient. Zudem ist er ihr Chef. Das funktioniert nicht. Solche Beziehungen laufen ins Leere. Sie kreist und entschließt sich, mit Maria darüber zu reden.

„Maria, darf ich dich zum Lunch einladen?“

„Oh, herzlichen Dank, gerne.“

„Maria“, fängt sie nach dem Essen gleich an, „Fredy hat mich in sein Haus eingeladen. Ich bin mir bewusst, was das bedeutet.“

„Was bedeutet es denn?“, fragt Maria.

„Ist doch klar, er will was von mir, ist auch klar was.“

„Bist du dir da sicher?“

„Glaubst du nicht?“

„Lisa, wer ist der Chef über dich als Mensch?“

„Ich, denke ich.“

„Und, was heißt das?“

„Dass ich bestimme, was mit mir passiert!“

„Also, was bedeutet das für die Einladung?“

„Dass ich nur mir selbst gehöre.“

„Wie ist deine Entscheidung?“

„Ich teste ihn und lasse nur zu, nach was mir zumute ist.“

„So gefällst du mir. Er wird sich hüten, dich unter Druck zu setzen. Immerhin sollst du für ihn bei Wissmann die Kohle aus dem Feuer holen. Hab keine Angst und mach das, was du von dir erwartest.“

Bei Fredy im Büro sagt sie, „Ich nehme die Einladung an. Wann holst du mich ab?“

Er sieht erstaunt zu Lisa hoch. „Du wirst es nicht bereuen. Gehen wir um 18:00h? Du kannst mein Bad benutzen.“

Sie erschrickt kurz. Damit hatte sie nicht gerechnet. Wieder steigen Zweifel in ihr. Ich werde in diesen Apfel beissen und hart bleiben. Ich werde nur zulassen, was für mich stimmt.

„Gerne“, erwidert sie Fredy. „Um 18:00h.“

Anschließend verlässt sie das Büro.

Maria sieht eine, in Gedanken versunkene Freundin und nickt ihr zu.

„Nur du bestimmst. Und Lisa, bitte halte dir den nächsten Mittwochabend frei. Ich werde dich meinem Mann vorstellen, wenn das ok ist.“

„Klar doch, ich freue mich darauf.“

 Lisa schaudert, wie sie das Haus betritt. Die Party, die unreifen Girls, der geile Bock mit den grünen Augen, Fredys Fummelei im verschlossenen Zimmer. Das Getuschel, als sie gedemütigt das Haus verließ. All das ist wieder präsent. Verunsicherung überkommt sie. Nein, ich halte durch und zeige ihm, dass ich selbstbewusst und klar bin.

 „Du kennst es ja. Mach es dir bequem. Das Bad ist im Obergeschoss. Ich werde eine Kleinigkeit bereitstellen. Du magst ein Glas Champagner?“

„Das weißt du doch“, erwidert Lisa.

Er tanzt innerlich. Er sieht sie bereits im Pool. Er umschlingt sie und genießt ihren Körper. Es ist soweit. Ich habe immer gesagt, dass ich sie bekomme. Fredy sieht Lisa in einem weiten, knielangen Sommerkleid die Treppe heruntersteigen. Mit zwei Glas Champagner geht er ihr entgegen.

„Ich freue mich, dass du hier bist.“

„Danke für die Einladung“, erwidert Lisa. „Das Haus und der Garten sind speziell.“

Fredy hebt das Glas und sagt: „Liebes hier sind wir ungestört. Genießen wir den Abend.“

Ihre Begeisterung hält sich in Grenzen. Sie hat Angst davor, was nun geschieht.

„Wir hatten bisher keine Gelegenheit, auf unser DU anstossen, ich meine, so wie es sich gehört.“ Er schickt sich an, ihr einen Kuss zu geben, doch sie verwehrt sich. Er übergeht es und holt in der Küche Kaviar und Lachs. „Greif zu, Liebes. Du hast sicher Hunger.“

„Es geht.“ Er bemerkt ihre Unsicherheit.

„Komm an den Pool. Er ist geheizt. Du kannst ihn benutzen. Du brauchst auch keinen Bikini“, schlägt er vor und schmunzelt dabei.

Lisas Zweifel steigen.

„War ein Scherz“, sagt Fredy und lacht, doch ihr ist nicht zum Scherzen.

Die Wette gilt, ist bei ihr nicht drin. Ich bestimme über mich. Er geht auf sie zu, um sie zu umarmen, was bei ihr alle roten Lampen aufleuchten lässt. Er fängt an sie zu küssen. Er drückt sie schwach und schickt sich an, feinfühlig die Träger ihrer Bluse über die Schultern zu streifen. Sie wehrt sich und stösst ihn von sich. Er versteht nicht.

„Lisa, das ist das Normalste auf der Welt. Was zierst du dich. Glaubst du, ich habe dich eingeladen, nur um auf den See zu schauen?“

„Wenn du mich wirklich liebst, verstehst du das. Ich weiß, was du vorhast. Ein paar Küsse, dann die Kleider weg und ins Bett, oder in den Pool. Fredy, ich bin nicht so weit, und wenn ich sage, nein, ist das ein NEIN, ob du Fredy Colman bist oder nicht. Bald sind wir da, wo wir an deiner Party waren. Ich gehe nicht bei der ersten Gelegenheit mit jemand ins Bett, auch nicht mit dir.“

„Du bist eine richtige Zicke, verstehst du, wie ich das meine?“

„Ich verstehe nur, wie deine Partys und deine Geilheit funktionieren. Du machst nicht einmal vor mir damit halt. Bedenke, dass ich deine Angestellte bin, die helfen soll, die Firma zu retten. Und jetzt, bring mich bitte nach Hause.“

„Was soll das, Lisa. So stur kann keine Frau sein.“

„Du kennst mich nicht, lieber Fredy. Fahren wir?“

„Wir sprechen uns morgen früh in meinem Büro“, sagt er und greift die Autoschlüssel. Lisa sieht die Wut, die er nicht zu verbergen im Stande ist.

 

 „Lisa de Vries, meine Chefin.“

„Freut mich. Ihr scheint euch prächtig zu verstehen. Maria hat mir von eurem harmonischen Abend erzählt“.

„Ganz meinerseits.“

„Gerne, wir lieben Gäste und meine Frau kocht fantastisch Italienisch. Man bekommt nie genug davon. Auch nach Jahren nicht.“

Maria ist erstaunt über das Gehörte, und lässt die beiden.

„Du also bist die neue Chefin meiner Liebsten? Du hast einen süßen Akzent, Holland?“

„Ja, Friesland.“

„Wie kommst du denn ausgerechnet nach Zürich?“

„Das ist eine lange Geschichte. Jedenfalls wollte ich immer mal hier arbeiten.“

„Und, sagst du das Maria auch?“

„Was meinst du?“

„Was du soeben gesagt hast.“

„Na ja, zu viele Komplimente sind ungesund.“

„Du führst sie sicher in Gourmet-Restaurants zum Essen aus, so quasi zur Belohnung. Das wären auch Komplimente, oder du gehst mit ihr shoppen. Ich mag Männer, die ihre Liebste verehren und sie auf Händen tragen.“

„Wir speisen meist zuhause. Da ist es am besten, bei dieser Köchin.“

„Und du machst den Abwasch?“

„Oh nein, ich habe keine Ahnung, wohin das Geschirr gehört. Das überlasse ich ihr.“

„Weder Ausgang, geschweige denn shoppen zusammen?“

„Was soll das, willst du mich provozieren?“

„Nein, auf keinen Fall. Ich habe nur als Kind erlebt, wie das bei meinen Eltern war. Sie zelebrierten ein richtiges Ritual. Als Belohnung, da Mama zu viel alleine war.“

Maria ist aus der Küche zurück, mit einer Antipasti-Platte zum Apéro.

 „Unterhaltet ihr euch gut?“

„Deine Chefin ist neugierig.“

„Das ist ihre Art, so weißt du auch jederzeit, woran du bei ihr bist. Prosecco, Lisa, ist das ok?“

„Ich liebe Prosecco.“

„Greift zu, genießt es.“

„Was war denn neugierig an Lisas Fragen?“ Maria schaut fragend zu Inigo.

„Alles, ich bin es nicht gewohnt, ausgefragt zu werden. Ich fühle mich nicht wohl dabei.“

„Ist mir neu, dass du eine Unterhaltung mit einer Frau wie Lisa sie ist, scheust. Sonst bist du derjenige, der die schönen Frauen voll quasselt.“

„Lass mal, Maria“, fährt Lisa dazwischen. „Ist eben meine Neugier.“

Inigo scheint beruhigt. Er genießt die Küche seiner Frau und lässt sich nicht mehr stören. Lisa hat erreicht, was sie erwartet hatte. Der restliche Abend verlief mit losem Gequatsche, jedoch harmonisch.

Der Abschied zwischen den Freundinnen war herzlich, mit Küsschen. Inigo schickt sich an zu einem Kuss für Lisa, doch mehr wie eine flüchtige Umarmung lässt, sie nicht zu.

„Komm gut nach Hause, oder soll ich dich heimfahren?“, bietet Inigo an.

„Ich finde den Weg, danke für den reizenden Abend.“

„Wir sehen uns bestimmt wieder“, sagte er zum Abschied.

„Klar“ ruft sie bereits von der Straße her.

 

Kaum ist Lisa zuhause, klingelt das Handy. Spinnt der, um die Zeit? Ich gehe nicht ran. Dann drückt sie die grüne Taste. Sie ist verunsichert, seit Fredys Einladung in sein Haus. Ich hätte ihn nicht abservieren dürfen. Ich bleib mir treu, schwört sie sich ein.

„Ja, Fredy, was ist denn, um diese Zeit?“

„Mir geht der Abend nicht aus dem Kopf, Lisa.“

„Besprechen wir das morgen, ich bin müde. Bin erst nach Hause gekommen.“

„Ok, schlaf gut.“

Fredy hängt auf und die Eifersucht steigt in ihm hoch. Wo hat sie sich herumgetrieben? Verdammt, das lasse ich nicht zu. Bestimmt trifft sie andere Männer.

 Er steigt ins Auto und fährt zu Lisa. Je länger er im Auto sitzen bleibt, desto aufgeregter wird er, bis er es nicht mehr aushält. Seine krankhafte Eifersucht siegt über den Verstand.

Es klingelt an Lisas Wohnung. Es ist Mitternacht. Sie war soeben eingeschlafen. Aus dem Fenster sieht sie Fredys Auto. Er steht daneben und winkt Lisa, die Tür zu öffnen. Um niemanden zu wecken, lässt sie sich darauf ein.